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Hendriks Marathon-Hacks – die letzten Tage vor dem Rennen

Hendrik Pfeiffer gewinnt den Hannover Marathon 2023
Hendrik Pfeiffer gewinnt den Hannover Marathon 2022
Hendrik Pfeiffer
Apr 17, 2023
Medizinisch geprüft von
Nina Kasbauer
Gute Nachrichten für Volksläufer: Unsere heißgeliebten Straßenläufe - inklusive der großen Frühjahrsmarathons - kommen endlich wieder in Schwung. Nach langen Wintermonaten scheint der Raceday in greifbarer Nähe.

Nach den schwierigen Corona-Jahren kommen Straßenläufe endlich wieder in Schwung und bieten uns die lang ersehnten Highlights, für die wir in den Wintermonaten mehrmals in der Woche - oft sogar täglich - die Couch gegen eisige Kilometer vor der Haustür getauscht haben.

Damit der Raceday tatsächlich zum Erfolg wird, setze ich auf ein paar kleine Profi-Kniffs in den Tagen vor dem Rennen, die mit wenig Aufwand eine große Wirkung entfalten und auch für Anfänger geeignet sind.

Kurz vor dem Rennen nichts mehr erzwingen

Die perfekte Tagesform zu erwischen, ist weniger Zufall als man auf den ersten Blick denken könnte. Denn dem Traum von „guten Beinen“ am Tag X kann man durch ein wohldosiertes Training in den letzten Tagen vor dem Rennen zumindest ein gutes Stück näher kommen. Andersherum kann man ihn durch falschen Ehrgeiz und dem „Herauskitzeln“ der Form auf den letzten Drücker schnell zerstören. Tapering – also ein reduziertes Training in den zehn Tagen vor meinem Marathon – ist für mich enorm wichtig. Das bedeutet nicht, eine komplette Pause einzulegen, sondern bei ähnlichen Intensitäten einen um rund 1/3 reduzierten Trainingsumfang zu absolvieren und die letzten drei Tage vor dem Rennen bewusst ruhig zu gestalten.

„Gummibeine“ durch zu viel Therapie vermeiden

Auch bei regenerativen Maßnahmen gilt: Nicht übertreiben! Die Versuchung, kurz vor dem Rennen durch Massagen, Faszienrollen oder Saunagänge eine perfekt gelockerte Muskulatur zu erreichen, ist trügerisch. Denn eine gewisse Vorspannung schadet im Rennen nicht und durch diszipliniertes Tapering werden die Beine bereits frischer, als man es während der intensiven Trainingswochen zuvor gewohnt war. Ich habe bessere Erfahrungen gemacht, meine regenerativen Maßnahmen kurz vor dem Wettkampf nicht übermäßig zu erhöhen.

Volle Speicher für volle Power

Je länger die Wettkampfstrecke ist, desto wertvoller sind stabile Kohlenhydratreserven. Es hat sich bei mir bewährt, in den letzten Tagen vor dem Rennen bewusst auf eine kohlenhydratreiche und leicht verdauliche Ernährung wie Nudeln und Reis zu setzen und am Morgen vor dem Lauf ganz unspektakulär helle Brötchen mit Marmelade zu essen. Bewusst reduziere ich in dieser Zeit Gemüse und andere ballaststoffreiche Produkte, um den Gang auf’s Dixi während des Rennens zu vermeiden.

Nudelgerichte vor einem großen Rennen essen

Die Nacht vor der letzten Nacht zählt

Was kompliziert klingt, hat eine einfache Erklärung: In der Nacht vor dem Wettkampf schläft man selten ruhig und gut. Die Nervosität ist meistens zu groß. Die gute Nachricht: Das macht nichts. Im Gegenteil. Eine gewisse Anspannung ist meist ein Zeichen, dass sich Körper und Geist bereits auf die anstehende Belastung einstimmen. Wichtiger ist die Nacht davor und man sollte sie nach Möglichkeit richtig auskosten. Inklusive Ausschlafen und einem Late-Breakfast.

Ein „Masterplan“ hilft auch im Laufsport

Unbekümmert in einen Wettkampf zu gehen, bedeutet nicht, kopflos zu agieren. Es lohnt sich, in den Tagen vor einem Marathon einen Erfolgsplan zu entwickeln, der von einer realistischen Zielstellung geleitet wird. Dabei sollte man auch äußere Faktoren, wie die Wetterlage und das Streckenprofil mit potenziellen Höhenmetern berücksichtigen. Da bei den meisten Events Kilometerangaben üblich sind, lässt sich das Rennen gut mit Zwischenzeiten überwachen. Insbesondere zu Beginn ist die Versuchung groß, sich von der tollen Stimmung und der Euphorie, in einer riesigen Menschentraube zu laufen, zu einem zu hohen Anfangstempo verleiten zu lassen. Die vorher geplanten Zwischenzeiten dienen dabei als Korrektiv und zudem als mentale Stütze, da sich die enorme Entfernung eines Marathons so gut in kleinere Häppchen teilen lässt. Hilfreich zu wissen ist auch, dass viele Marathons spezielle Pacemaker für Freizeitläufer anbieten, die man oft an Luftballons mit der Aufschrift der geplanten Zielzeit erkennt.

Ein Marathon hält zudem zusätzliche Herausforderungen bereit, die zum Beispiel bei einem klassischen 10-Kilometer-Straßenlauf eine geringere Rolle spielen. Von großer Bedeutung ist für mich die Trinkstrategie während des Rennens. Es lohnt sich, darauf zu achten, nicht erst zu trinken, wenn bereits der Durst einsetzt. Als Profi ist es üblich, alle fünf Kilometer Flüssigkeit aufzunehmen, also schon nach fünf Kilometern von 42 damit zu beginnen. Entscheidend ist: Auf Bewährtes setzen! Experimente wie Cola bei Kilometer 35 wegen des hohen Zuckergehalts zu trinken oder direkt am Start eine Banane zu essen, ohne es vorher geübt zu haben, sollte man vermeiden. Dementsprechend ist mein Tipp, schon im Training die optimale Verpflegungsstrategie zu üben. Apropos auf Bewährtes setzen: Nagelneue Schuhe am Wettkampftag zu verwenden, ist nie eine gute Idee. Das Paar am Wettkampftag sollte bereits eingelaufen sein und mindestens 50 Kilometer zurückgelegt haben.

Mache den Wettkampf zu etwas Besonderem

Im Laufe meiner Karriere ist mir immer wieder gelungen, im Wettkampf Leistungen abzurufen, die im Training kaum erreichbar schienen. Dahinter steckt ein psychologischer Trick: Den Wettkampf nicht erst ab dem Startschuss als besonderes Ereignis wahrzunehmen, sondern schon in den Stunden und Tagen zuvor eine positive Anspannung zu erzeugen.

Das beginnt bei großen Wettkämpfen wie einem Marathon schon mit der Anreise, die ich bewusst früh vollziehe, sodass ich vor dem Wettkampftag mindestens einen vollen Tag am Ort des Geschehens verbringe. Diesen Tag nutze ich für eine kleine Streckenbegehung, vor allem, um mich am Wettkampftag im Startbereich zurechtzufinden, und bereite in aller Ruhe die Wettkampfkleidung und Ausrüstung für den nächsten Tag vor.

Mir geht es darum, jeden potenziellen Stressfaktor für den nächsten Tag zu minimieren und mit der nötigen Ruhe ins Geschehen zu starten. Zudem bereite ich mich durch diese Tätigkeiten auch schon mental auf das Rennen vor und stelle sicher, dass meine Gedanken nicht noch an der Uni oder dem Beruf hängenbleiben. Hastig vom Büro oder dem Schreibtisch zum Wettkampf zu eilen, sollte nach Möglichkeit vermieden werden.

Fokus ist Trumpf!

Eine Frau packt ihren Koffer und sieht auf die Uhr

Checkliste für Anfänger

Es kann vor allem für weniger erfahrene Läufer sinnvoll sein, eine kleine Checkliste vorzubereiten, die man am Tag vor dem Rennen durchgeht: Ist meine Uhr aufgeladen? Habe ich die Startnummer und meine Wettkampfkleidung vorbereitet? Weiß ich, wann ich morgen wo sein muss? Solche Fragen sollten wenn möglich nicht erst am Wettkampftag geklärt werden. Für ein positives Grundgefühl sorgt außerdem, wenn ich mir vor Augen führe, was ich den letzten Wochen bereits trainiert und geleistet habe. Sich auf bereits geleistetes Training zu besinnen, hilft enorm, selbstbewusst ins Rennen zu gehen und den Zielen, die in den Stunden vor dem Rennen plötzlich besonders einschüchternd wirken können, positiv zu begegnen.

Der Schuh für besondere Anlässe

Ein kleiner psychologischer Trick, der mir bereits gute Dienste erwiesen hat, ist, meine Race-Schuhe abgesehen vom unbedingt notwendigen Einlaufen nach dem Kauf ausschließlich im Wettkampf zu tragen. Auch, wenn man das gleiche Modell im Training einsetzt, sollte – sofern man den Trick anwenden möchte - ein Paar ausschließlich für Wettkämpfe reserviert sein. Das Gefühl, dass ich diese Schuhe nur trage, wenn etwas verdammt Schnelles und Wichtiges passiert, hilft mir, den richtigen Fokus zu finden und noch mehr aus mir rauszuholen.

Hendrik Pfeiffer mit dem Deviate Nitro 2 Schuh von Puma

Das Rennen zum Heimspiel machen

Vor allem eine Marathonvorbereitung erfordert eine Menge Herzblut. Grund genug, seine Familie und Freude am großen Tag teilhaben zu lassen und sich dadurch auch selbst zu pushen. In dem Wissen, dass an der Strecke vertraute Gesichter warten und einen anfeuern, kann enorm leistungsfördernd und motivierend sein. Das gilt besonders jenseits von Kilometer 30! Dort kann auch der Gedanke an eine wartende Belohnung im Ziel Wunder wirken. Es lohnt sich, bereits vorher ein leckeres Essen oder einen lang ersehnten Ausflug zu planen, woran der Gedanke den Schmerz im letzten Drittel des Marathons zumindest dämpft.

In Zusammenarbeit mit Laufzeit

Dieser Artikel wurde erstmals im Laufzeit Magazin publiziert und ist in Zusammenarbeit mit Hendrik Pfeiffer und den Herausgebern entstanden.

Mehr Infos zum Laufzeit Magazin findet ihr auf ihrer Website.

Hendrik Pfeiffer gewinnt den Hannover Marathon 2022
Hendrik Pfeiffer
Hendrik Pfeiffer ist Laufprofi und hat sich auf die Marathondistanz spezialisiert. Er wurde Deutscher Marathonmeister und trat bei den Olympischen Spielen in Tokio im Marathon an. Mit der deutschen Nationalmannschaft wurde er Vizeeuropameister im Marathon. Zudem gewann er bereits die City-Marathons in Hannover und Köln und hält den Deutschen U23-Rekord im Halbmarathon.
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